Neue Wohn- und Arbeitsformen und ihre Folgen

Die Art und Weise, wie wir wohnen und arbeiten, verändert sich, nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie. Das beeinflusst nicht nur den Immobilienmarkt und die Mobilität, sondern auch den Stromverbrauch.

Mehr Homeoffice, weniger Dienstreisen – was mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie für viele von uns schlagartig Realität wurde, pendelt sich nun langsam auf einem neuen Niveau ein. Wer zur Arbeit pendelt, muss nicht mehr jeden Tag fahren. Und statt nur für eine Besprechung den halben Tag unterwegs zu sein, starten wir eine Videokonferenz.

Wird es dauerhaft weniger Pendelverkehr und geschäftliche Flugreisen geben? Nehmen wir dafür längere Pendelstrecken in Kauf? Werden wir grössere Wohnungen beziehen, um das Homeoffice besser einzurichten? Oder werden wir vermehrt Co-Working-Spaces nutzen, die in der Nähe unseres Wohnortes eine gute Infrastruktur zum Arbeiten und darüber hinaus Möglichkeiten für Austausch und soziale Kontakte bieten?

Trend zum dezentralen Arbeiten

Niemand kann die Folgen genau voraussagen, doch der Trend zum dezentralen Arbeiten wird sich nicht aufhalten lassen. So manches Unternehmen nutzt die Gelegenheit und verkleinert seine Büroflächen. Das spart Miete und Betriebskosten. So sank im Jahr 2020 der Stromverbrauch in der Schweiz insgesamt um 2,6 Prozent und besonders der von Unternehmen. Im Dienstleistungssektor waren es 5 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Arbeitnehmenden waren vermehrt im Homeoffice produktiv, dementsprechend stieg der Verbrauch der Privathaushalte im Schnitt um 1,1 Prozent. In Gegenden, wo viele Pendler leben, zeigte sich die Zunahme besonders deutlich, wie verschiedene Energieversorger berichten. Im Kanton Zürich beispielsweise verbrauchten die Haushalte 2020 ganze 7 Prozent mehr Strom.

Cloudbasierte Dienste

Sowohl beruflich als auch privat nutzen wir vermehrt cloudbasierte Dienste. Bild: Gerd Altmann/Pixabay

Nun kann das Ausnahmejahr 2020 nicht als Referenz für die zukünftige Entwicklung dienen. Doch es hat vieles verändert und die Digitalisierung beschleunigt. Videokonferenzen sind nicht nur im beruflichen Umfeld allgegenwärtig geworden, auch privat haben wir uns vor dem Bildschirm weitergebildet, die Vereinssitzung abgehalten oder Yoga gemacht. Schon vor Corona haben wir Filme gestreamt, Fotos in der Cloud gespeichert und Erlebnisse auf sozialen Netzwerken geteilt. Wachgerüttelt durch die Pandemie und ihre Auswirkungen nutzen nun auch viel mehr Unternehmen cloudbasierte Dienste.

Steigende Datenmengen in der Cloud

Ob Streaming und cloudbasiertes Arbeiten zu einem erhöhten Energiebedarf bei den Nutzenden führt, hängt von den verwendeten Diensten, der Nutzungsdauer und vom Endgerät ab. In jedem Fall aber wachsen die Datenmengen, und zwar rasant. Die Cloud schaltet nie ab. Entsprechend steigt der Stromverbrauch von Rechenzentren. Bereits 2019, also vor der Corona-Pandemie, verbrauchten Rechenzentren und Serverräume in der Schweiz 2,1 Terawattstunden (TWh), wie Forschende der Hochschule Luzern und des Unternehmens TEP Energy in einer Studie im Auftrag von EnergieSchweiz ermittelten. Das entspricht 3,6 Prozent des gesamten Schweizer Stromverbrauchs. 2013 waren es noch 1,7 TWh und 2,8 Prozent des Gesamtverbrauchs gewesen.

Nicht nur die Autoren dieser Studie rechnen mit einem weiteren Anstieg der Datenmengen und damit des Stromverbrauchs der Rechenzentren. In einer Studie zum «Wohnen mit geringer Umweltwirkung» im Auftrag des Bafu gehen die Autoren von jährlich 25 Prozent mehr Datenaufkommen aus, verursacht vor allem durch den vermehrten Konsum von Videos, das steigende Angebot an cloudbasierten Diensten und mit dem Internet der Dinge verbundene Angebote und angeschlossene Geräte. Effizienzgewinne bei Geräten und Infrastrukturen vermöchten den dadurch verursachten höheren Stromverbrauch nicht zu kompensieren.

Mit der Digitalisierung steigen die Datenmengen und damit der Stromverbrauch. Bild: Gerd Altmann/Pixabay

Ähnlich tönt es in der oben erwähnten EnergieSchweiz-Studie. So könnten Rechenzentren durch Effizienzmassnahmen bei Infrastruktur und IT 46 Prozent des derzeitigen Stromverbrauchs einsparen. Doch selbst wenn dieses Potenzial voll ausgeschöpft würde, liesse sich der Mehrverbrauch wegen der steigenden Nachfrage nach Rechenzentren-Dienstleistungen wohl nicht vollständig ausgleichen.

Stromverbrauch von Rechenzentren

Die genauen Auswirkungen auf den Gesamtstromverbrauch in der Schweiz vermögen die Autoren der EnergieSchweiz-Studie nicht vorherzusagen. Zu viele Faktoren sind ungewiss, etwa mögliche Einsparungen durch Effizienzsteigerungen. Dem gegenüber stehen Rebound-Effekte, die den Energieverbrauch trotz verbesserter Effizienz nach oben treiben. Dies könnte beispielsweise passieren, wenn Videos in 4K statt in FullHD gestreamt werden, was viel mehr Daten benötigt. Hinzu kommt, dass insbesondere private Daten heute oft im Ausland gespeichert sind. Um steigenden Anforderungen an Datenschutz und Sicherheit gerecht zu werden, lassen sich aber möglicherweise vermehrt grosse Cloud-Anbieter in der Schweiz nieder – um den einheimischen Markt, aber allenfalls auch Kunden im Ausland zu bedienen. Gibt es in Zukunft mehr und grössere Rechenzentren in der Schweiz, wird der Energieverbrauch hierzulande steigen.

Unsere Gewohnheiten, wie wir wohnen und arbeiten, verändern sich. Manchmal schneller als gedacht, wie uns die Pandemie vor Augen geführt hat. Dass die Änderungen mit verstärkter Digitalisierung einhergehen, ist ein Fakt. Früher oder später werden die zunehmenden Datenmengen wohl auch den Stromverbrauch in der Schweiz ansteigen lassen.

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Repower

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Vom EVU fürs EVU

Repower ist ein Vertriebs- und Dienstleistungsunternehmen im Energiebereich mit über 100-jähriger Erfahrung. Die Schlüsselmärkte sind die Schweiz (inkl. Originationsgeschäft in Deutschland) und Italien. Der Hauptsitz befindet sich in Poschiavo (Graubünden). Die Gruppe ist von der Produktion über den Handel bis zur Verteilung und zum Vertrieb auf der ganzen Strom-Wertschöpfungskette sowie zusätzlich im Gasgeschäft tätig. Basierend auf ihrem fundierten Energiefachwissen bietet Repower ihre Produkte und Dienstleistungen auch Partnern an - insbesondere EVU, aber auch Industriekunden und öffentlichen Institutionen - und führt Arbeiten für Dritte aus.

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