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Symbole der fossilen Energiegewinnung

Mit Vollgas in die fossilfreie Energiezukunft

18. Februar 2022
Technologie & Anlagen
Erneuerbare Energie
Wenn wir die fossilen Kraftwerke ein letztes Mal voll auslasten, um damit die solaren Energien auszubauen, kann die Energiewende in weniger als einem Jahrzehnt gelingen. Zu diesem Schluss kommen zwei Forscher der Empa. Anhand einer Modellrechnung haben sie aufgezeigt, dass die schnellstmögliche Transition die geringsten kumulierten CO2-Emissionen zur Folge hat, wodurch sich die Klimarisiken minimieren.
Fossile Kraftwerke in der Energieversorgung
Eine Modellrechnung der Empa zeigt auf, dass unsere Energieversorgung innerhalb von zehn Jahren fossilfrei erfolgen könnte, wenn wir die fossilen Kraftwerke ein letztes Mal auf volle Kraft hochfahren. Quelle: Harald Desing

Wie können wir die Klimarisiken minimieren und unser Klima so stabilisieren, dass uns Menschen eine lebenswerte Zukunft erwartet? Diese Frage haben sich Harald Desing und Rolf Widmer, zwei Forscher von der Empa St. Gallen, gestellt. Ihre Antwort ist radikal einfach, doch verblüffend einleuchtend. Statt eines langsamen Umbaus unseres Energiesystems soll die Energiewende innerhalb kürzester Zeit und mit einem letzten Volleinsatz fossiler Kraftwerke geschehen.

Wenig ambitionierte internationale Klimapolitik

Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen hat sich die Staatengemeinschaft dazu verpflichtet, den globalen Temperaturanstieg auf unter 2 °C, vorzugsweise auf 1,5 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu beschränken. «Da allerdings bereits eine Erhitzung von 1,5 °C mit existenziellen Risiken für unseren Planeten verbunden ist, müsste diese Verpflichtung oberste Priorität geniessen», findet Harald Desing. Doch die Emissionspfade des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), einem wissenschaftlichen Gremium der Vereinten Nationen, sind heute so definiert, dass das 1,5 °C-Ziel mit 40 bis 80 Prozent Wahrscheinlichkeit überschritten wird.

CO²-Konzentration in der Atmosphäre
1988 wurde die Konzentration von 350 ppm CO2 in der Atmosphäre erstmals überschritten, heute sind wir bei etwa 420 ppm angelangt. Die Klimawissenschaft geht davon aus, dass 350 ppm das langfristig sichere Limit ist, um das Klima stabil zu halten. Quelle: H. Desing, R. Widmer, Empa

CO2-Emissionen auf unter 350 ppm senken

Die Erderwärmung korreliert direkt mit den kumulierten CO2-Emissionen. Deshalb legen die Empa-Forscher ihren Fokus auf deren langfristige Vermeidung. Blickt man um 1 Million Jahre zurück, so stellt man fest, dass sich die CO2-Konzentration immer zwischen 180 ppm (Eiszeiten) und 280 ppm (warme Zeiten) bewegt hat (ppm = parts per million resp. Teile pro Million). Seit mehr als 30 Jahren befinden wir uns jedoch auf der Überholspur: 1988 wurde die Konzentration von 350 ppm CO2 in der Atmosphäre erstmals überschritten, heute sind wir bei etwa 420 ppm angelangt. «Die Klimawissenschaft geht davon aus, dass 350 ppm das langfristig sichere Limit ist, um das Klima stabil zu halten. Über 450 ppm liegt die ‘rote Zone’, die nicht überschritten werden sollte», erklärt Desing. Zwar sehen auch die Emissionspfade des IPCC nach einer weiteren Zunahme eine langsame Stabilisierung gefolgt von einem leichten Rückgang der CO2-Konzentration vor, doch nicht in die sichere Zone unterhalb von 350 ppm.

Einzig die Energie der Sonne reicht aus

Der grösste Teil der auf unserer Erde nutzbaren erneuerbaren Energie kommt von der Sonne, ein kleinerer Teil aus dem Erdinnern oder von Planetenbewegungen. Doch auch erneuerbaren Energien sind beschränkt. Zapfen wir das Energiesystem an, fehlt diese Energie anderswo im Erdsystem. Eine langfristig nachhaltige Nutzung muss also immer innerhalb der Grenzen des Planeten erfolgen. Die einzige Möglichkeit, unseren Energiehunger künftig mit erneuerbarer Energie zu decken und die heutigen fossilen Energieträger vollständig zu ersetzen, ist die direkte Nutzung der Sonnenenergie. Für eine erfolgreiche Transition müssen wir folglich die Solarenergie massiv ausbauen und dazu die bereits bebauten Oberflächen nutzen.

Der grösste Teil der auf unserer Erde nutzbaren erneuerbaren Energie kommt von der Sonne
Der grösste Teil der auf unserer Erde nutzbaren erneuerbaren Energie kommt von der Sonne. Die direkte Nutzung von Sonnenenergie ist einzige Möglichkeit, unseren Energiehunger künftig mit erneuerbarer Energie zu decken. Quelle: H. Desing et al.

In fünf Jahren fossilfrei

Doch der Bau von Solarpanels verschlingt enorme Mengen an Energie. Diese kann zu Beginn der Transition nur über die bereits existierenden fossilen Kraftwerke bereitgestellt werden. Um möglichst schnell von fossil auf erneuerbar umzustellen, muss nach den Berechnungen von Desing und Widmer die «fossile Maschine» ein letztes Mal auf Volltouren laufen, indem auch die bisher ungenutzten Kapazitäten der fossilen Kraftwerke genutzt werden. Da jedes gebaute Solarpanel auch wieder Energie produzieren kann, entsteht in der Folge ein exponentielles Wachstum. Ist die «solare Maschine» gross genug, kann die «fossile Maschine» einfach abgestellt werden. «Vorausgesetzt, die Energie ist der einzige limitierende Faktor, ist die schnellstmögliche Transition innerhalb von fünf Jahren global möglich», erklärt Desing. Obwohl während der Transition rund 40 Prozent mehr CO2 emittiert werden, ergeben sich mit diesem Szenario insgesamt die geringstmöglichen kumulierten Emissionen. Doch auch bei diesem Vorgehen wird das 1,5°C-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent überschritten. Zudem wird es nicht ohne Energiespeicher gehen, deren Herstellung ebenfalls viel Energie verschlingt und dadurch die Transition erheblich verlangsamt. Viel wirksamer, als auf bessere Speichertechniken zu warten, wäre es, unseren Energiebedarf wie eine Sonnenblume nach dem Lauf der Sonne auszurichten. Das heisst, wir legen die energieintensiven Aktivitäten auf den Mittag und den Sommer und reduzieren diese in der Nacht und im Winter. Eine solche «Sonnenblumengesellschaft» könnte den Bedarf an Energiespeichern minimieren.

Atmosphäre aufräumen

Da die Transition alleine nicht ausreicht, um die CO2-Konzentration unterhalb der sicheren 350 ppm zu stabilisieren, braucht es noch eine dritte «Maschine», die das CO2 unter Einsatz solarer Energie wieder aus der Atmosphäre entfernt. Ist die Atmosphäre wieder aufgeräumt, können anschliessend auch der Energie- und der Speicherbedarf wieder steigen.

«Trägheit des Systems» als Hürde

In der Theorie tönt die von den beiden Forschern ausgearbeitete Lösung des globalen Klimaproblems sehr einfach und einleuchtend. Doch warum sind wir nicht schon längst auf der Zielgeraden der Transition? «Die Hürden sind in der Struktur der Gesellschaft zu suchen», sagt Desing. Er ist von der Machbarkeit der Transition überzeugt, wäre es das prioritäre Ziel unserer Gesellschaft, allen auch in Zukunft ein gutes Leben zu ermöglichen. Doch die dazu notwendigen massiven Veränderungen stiessen auf die Trägheit unseres Systems sowie auf die sich über Jahrzehnte etablierten Gewohnheiten und widerstrebten den Interessen heute begünstigter Akteure. Ein weiteres Problem ist, dass der Änderungsdruck nicht unmittelbar spürbar ist, da sich die Klimafolgen über Jahrzehnte entfalten. Doch erst zu handeln, wenn diese noch deutlicher spürbar sind, sei mit grosser Wahrscheinlichkeit zu spät.

Finanzierung wäre möglich

Auch für die Finanzierung sieht Harald Desing eine Lösung: Heute belaufen sich laut dem International Monetary Fund (IMF) die Subventionen für fossile Energieträger weltweit auf zirka 5'900'000'000'000 Dollar, das entspricht 6,8 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Damit ergeben sich Subventionen von erstaunlichen 175 Dollar pro Tonne emittiertem CO2. Steckt man gleich viel in den Aufbau von Photovoltaik, liesse sich die Transition innerhalb eines Jahrzehnts finanzieren. Das Geld ist also nicht das Problem, sondern viel eher die Verfügbarkeit der für die Transition notwendigen Ressourcen. Denn die erneuerbare Infrastruktur benötigt eine Vielzahl zum Teil knapper Ressourcen, wie zum Beispiel Silber oder Lithium. Diese in ausreichender Geschwindigkeit und Menge zu mobilisieren, ist eine grosse Herausforderung. Wie die Untersuchungen der Empa zeigen, hätte unser Planet also durchaus noch die Chance, auf eine sichere Zukunft zuzusteuern. Doch eines ist klar: Die Zeit drängt und je länger wir warten, desto länger wird es brauchen, um wieder in den grünen Bereich zu gelangen.

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