Erdwärme nutzen, ohne zu bohren? Ein Schweizer Start-up verwendet die Wärme in Tiefgaragen, um Gebäude zu heizen und zu kühlen.

Enerdrape-Wärmetauscherpaneele der Pilotanlage in einer Lausanner Tiefgarage. Bild Screenshot Youtube/EPFL

Tief unter der Erde ist es warm. Und es ist immer gleich warm, egal ob an der Erdoberfläche gerade Sommerhitze oder Frost herrscht. Deshalb arbeiten Erdsonden-Wärmepumpen vor allem im Winter, aber auch in der Gesamtbilanz, effizienter als Luft-Wasser-Wärmepumpen. Letztere benötigen bei tiefen Aussentemperaturen wesentlich mehr Strom als Erdsonden-Wärmepumpen, um die zum Heizen erforderlichen Temperaturen bereitzustellen.

Hindernisse für Erdsonden

Erdsonden sind allerdings nicht überall möglich. So können der Grundwasserschutz oder die Bodenbeschaffenheit dagegensprechen. Oder in der näheren Umgebung gibt es bereits so viele Erdsonden, dass dem Boden keine weitere Wärme entzogen werden kann. Manchmal gibt es auch schlicht keinen Platz zum Bohren. Gerade in dicht bebauten und teuren Gegenden wird auch der Untergrund intensiv genutzt.

Unterirdische Bauten als Wärmequelle

Doch Tunnel oder Tiefgaragen schaffen nicht nur zusätzliche Nutzfläche unter Gebäuden und Strassen, man ist dort auch ohne zu bohren an der Quelle der Erdwärme. Schon wenige Meter unter der Erdoberfläche liegt die Temperatur das ganze Jahr über konstant bei rund 10 Grad Celsius. Hinzu kommt die relativ warme Luft in Tiefgaragen.

Wandpaneele als Wärmetauscher

Das Start-up Enerdrape aus Lausanne nutzt beide Wärmequellen – Erdreich und Luft – in unterirdischen Bauten, um Gebäude zu heizen. Dazu haben die Gründerinnen und Gründer von Enerdrape spezielle Wärmetauscher-Paneele entwickelt, die an den Innenseiten der Betonwände beispielsweise von Tiefgaragen montiert werden. Wichtig für die Wärmeübertragung ist, dass die Betonmauern direkten Kontakt zum Erdreich haben.

Enerdrape-Mitgründerin und CEO Margaux Peltier mit der Pilotanlage. 10 Wärmetauscher-Paneele wurden in einer Tiefgarage im Lausanner Quartier Sébeillon montiert. Bild EPFL, Alain Herzog

Heizen und Kühlen

Die äusserst dünnen Paneele bestehen aus Metallfolie und Wärmetauscher-Rohren. Die darin zirkulierende Flüssigkeit erwärmt sich auf circa 10 Grad Celsius. Eine Wärmepumpe hebt die Temperatur auf das zum Heizen erforderliche Niveau an. Im Sommer kann das System zum Free Cooling verwendet werden: 10 Grad kaltes Wasser kühlt die Räume passiv und energieeffizient. Diese Kühlfunktion wird angesichts zunehmender Sommerhitze immer bedeutender werden.

Für neue und bestehende Bauten

Die dünnen Paneele sind platzsparend. Ausserdem sind sie vorfabriziert und lassen sich einfach montieren, auch in bestehenden Bauwerken. Ein Umbau ist dafür nicht nötig. Das Enerdrape-System kann mit anderen Heizsystemen kombiniert werden. Auch der Anschluss an ein Fernwärmenetz wäre möglich, um die Wärme darüber zu verteilen.

Die Paneele erschliessen nicht nur eine Quelle bisher ungenutzter erneuerbarer Energie, die direkt unter vielen Gebäuden, vor allem in Städten, liegt. Ihr Nutzen geht darüber hinaus, denn die Oberfläche der Paneele ist gestaltbar. So können zuvor nackte Betonwände zu Werbe- oder Informationsflächen werden.

Forschung an der EPFL

Die Idee zu Enerdrape entstand am Labor für Bodenmechanik der EPFL in Lausanne. Die Ingenieurin Margaux Peltier, Mitgründerin und CEO von Enerdrape, und ihre Kollegen entwickelten im Rahmen ihrer Forschung an der EPFL die Paneele und führten im Labor zahlreiche Tests durch. So suchten sie unter anderem nach dem optimalen Durchmesser für die Wärmetauscher-Rohre und der am besten geeigneten Flüssigkeit. Nach erfolgreichen Tests waren die Ingenieurinnen und Ingenieure vom Marktpotenzial ihrer Technik überzeugt und gründeten das Spin-off Enerdrape.

Erfolgreiches Pilotprojekt

Ob das System auch im grösseren Massstab funktionieren würde, sollte sich an einer Pilotanlage zeigen. In einer Tiefgarage im Lausanner Sébeillon-Quartier konnte Enerdrape letztes Jahr 10 Paneele mit einer Gesamtfläche von gut 9 Quadratmetern installieren. Diese sollten rund einen Drittel der Heizenergie für die 60 Wohnungen im Gebäude über der Tiefgarage bereitstellen.

 

Enerdrape-Mitgründerin und CEO Margaux Peltier stellt das System im Video vor. Video EPFL

Das Projekt verlief sehr erfolgreich, wie Margaux Peltier im Magazin von Innosuisse berichtet. Inzwischen konnte Enerdrape Interessenten für zwei weitere, grössere Pilotprojekte gewinnen.

Markteintritt im Fokus

Der Markteintritt von Enerdrape rückt damit ein gutes Stück näher. Die Vorteile der Technik liegen auf der Hand: Das System ist flexibel einsetzbar, auch in bestehenden Gebäuden und dicht bebauten Gegenden. Zudem nutzt es lokal verfügbare erneuerbare Energie, die unabhängig von Jahreszeit und Wetter konstante Energiemengen liefert. Damit könnte die Enerdrape-Technik ein Baustein sein, den Anteil erneuerbarer Energien beim Heizen und Kühlen von Gebäuden rasch zu steigern.

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